Kubatur

539 mᶟ

Baubeginn

September 2011

Fertigstellung

Oktober 2012

ArchitektIn / Achitektenteam

Oliv Brunner Volk Architekten GmbH, Zürich

Bauingenieur

Büro Thomas Boyle + Partner AG, Zürich

Der Wohnpavillon steht im Garten einer Villa aus den 1920er Jahren am Zürichberg, eingefasst von dichtem  Baumbestand. Um im Garten eine möglichst kleine Grundfläche zu besetzen, ist der Pavillon ausgebildet, wobei das Erdgeschoss eine kleinere Grundfläche aufweist als das Obergeschoss.

Im Grundriss ist der Pavillon als unregelmässiges Fünfeck ausgebildet. Dadurch treten die Fassadenseiten in Erscheinung, das Gebäude fügt sich präzis in die Parzelle ein und lässt sich zu allen Seiten hin optimal ausrichten.


Im Erdgeschoss befindet sich die offene Wohnküche, umlaufend vom gedeckten Aussenraum der Auskragung des Obergeschosses umgeben. Dank allseitig öffenbaren Faltschiebefenstern lässt sich das ganze Erdgeschoss vollständig öffnen und Teil des Gartens werden, die Grenzen zwischen Innen und Aussen werden aufgehoben. Bei geschlossenen Fenstern schafft die kleinteilige Fensterflügelteilung und die niedrige Raumhöhe Geborgenheit. Die einzige Wand des Pavillons ist raumhaltig und beinhaltet Nasszellen, Nebenräume und Gebäudetechnik. Eine Treppe entlang dieser Kernwand führt vom Erdgeschoss ins Obergeschoss. Auf der Treppe wird die gesamte Höhe des Pavillons erlebbar. Zwei Oberlichter beleuchten die Treppe und öffnen den Blick zum Himmel. Das kleine Oberlicht lässt sich zu Lüftungszwecken öffnen, das grosse Oberlicht ist fest verglast.


Das Obergeschoss ist ein allseitig offener, stützenfreier, fliessender Wohnraum. Durch die asymmetrische Position der Wand entstehen umlaufend verschiedene Raumtiefen, die den Raum zonieren und unterschiedlich bespielt werden können. Ausgehend vom Treppenabsatz kann der Raum im Gegenuhrzeigersinn zunehmend intimer genutzt werden - vom Arbeiten zum Wohnen, zum Schlafbereich bis in den Badebereich, mit Dusche und WC in der Kernwand. Im Gegensatz zum kleinteilig verglasten Erdgeschoss bietet das Obergeschoss mit grossflächigen Sky-Frame Fenstern grösstmögliche allseitige Aussicht in die umliegenden Baumkronen. Der Pavillon wird zum Baumhaus. Die fünf Ecken können durch Schiebefenster vollständig geöffnet werden und so als Loggien in erhöhter Lage genutzt werden.


Aussenliegende Sonnenstoren und innenliegende Vorhänge lassen die Bewohner Ein- und Ausblicke zur Villa, in den Garten und in die Baumkronen steuern. Der ganze Wohnpavillon lässt sich sich je nach Bedarf mehr oder weniger öffnen und mit den verschiedenen Ebenen der umliegenden Gartenlandschaft - von der Wiese bis zu den Baumkronen - verbinden.

Der Pavillon ist als Massivbau vollständig aus Ortbeton gebaut. Der Sichtbeton wird durch Verwendung von Weisszement aufgehellt. Die Decke über dem Erdgeschoss wird durch die Kernwand und fünf dünne Vollstahlstützen getragen. Das Dach über dem Obergeschoss wird ausschliesslich von der Kernwand getragen und ist als asymmetrisches, allseitig auskragendes, gewölbtes Faltwerk aus armiertem Ortbeton ausgebildet, was das Obergeschoss vollständig stützenfrei macht.


Die Materialisierung des Innenraums wird bestimmt von hellem Sichtbeton, Glas und hellen textilen Vorhängen. Im Erdgeschoss ist der Boden aus dunkel pigmentiertem Hartbeton, im Obergeschoss widerspiegelt der helle Riemenparkett die Brettschalung der Dachuntersicht.


Von Aussen tritt der Pavillon dunkel in Erscheinung und bezieht sich farblich auf die Stämme und Äste der umliegenden Bäume. Die aussen gedämmte Dachfläche und Untersicht der Auskragung sind mit dunklen Contec Kautschuk-Dichtungsbahnen verkleidet. Die Fensterprofile und Dachrandabschlüsse sind aus dunkel eloxiertem Aluminium. Die Aussenhülle stülpt sich wie ein eng anliegender Mantel vollständig über den Betonpilz.


TRAGWERKSKONZEPT

Eine fünfeckige „Schüssel“ wird umgekehrt auf ein stehendes „Buch“ gestellt. Die Schüssel liegt prekär auf dem Buch, weil sie ausmittig abgestellt ist, und muss darum auf das Buch geklemmt und das Buch in den Boden eingespannt werden. Die Statik der „Schüssel“ kann als Faltwerk betrachtet werden, bestehend aus fünf 11° bis 22° aufgekippten, nur 16 cm dicken Platten, die an den Rändern durch ein Raumstabwerk aus Zugdiagonalen in den Falten zusammengehalten durch einen Druckring am Dach-Aussenrand und einen Zugring am Dach-Innenrand getragen sind. Die Faltwerkplatten weisen auch bei dieser geringen Neigung eine tragfähige statische Höhe von ca. 85 cm auf, die genügt um ihre Lasten in der Scheibenebene in die Zugdiagonale in den Ecken zu tragen.


Die Einspannung in das „Buch“ erfolgt über den sichtbar über die Dachmitte ausragenden Kragen, ein fünfeckiger Ringbalken ca. 90 cm hoch und 30 cm breit, der in die Seitenwände des Kerns eingespannt ist. Auslenkungskräfte in den Balkenecken können durch die oberste Decke trotz der Oberlichtaussparungen ausgeglichen werden.

Die U-förmige Kernwand trägt die Momente aus dem ausmittig gelagerten Dach ohne Hilfe durch die gelenkig gelagerte Erdgeschossdecke ca. 6 m hinunter in die Fundation. Hier wird der Kern in einen unter dem Gebäudeschwerpunkt angeordneten Rost aus Bodenriegeln eingespannt. Der Rost gibt die Lasten über acht Mikropfähle in die ca. 4 m tiefer liegende Moräne ab. Der monolithisch mit der Kernwand, der Erdgeschossdecke und der Bodenplatte verbundene Treppenlauf wird auch in die Gebäudestatik einbezogen, indem er den Kernquerschnitt im Erdgeschoss vergrössert und seine Torsionssteifigkeit hier merklich erhöht.


Es wurde ein letztlich recht simples, reines, schlaff armiertes Stahlbetonbauwerk aus konventionellen Komponenten ohne besondere Betonmischungen, Stahlprofileinlagen oder sonstigen Kunstgriffen gebaut. Die Fähigkeit des Materials Stahlbeton, in einem Guss ein räumliches Kontinuum in menschlichem Massstab, ein Gesamttragwerk aus Platten, Stäben und Schalen fugenlos zu bilden, wird gefeiert und sichtbar erlebt.

WOHNPAVILLON, ZÜRICH